Sekyung Lee dienen als Bildtrager fur ihre ungewohnlichen Arbeiten profane Teller, Tassen oder Fliesen aus wei©¬em Porzellan. Die Kunstlerin, die in Seoul ein Studium mit der Fachrichtung Keramik absolviert hat, verziert die fertig gekauften Alltagsobjekte mit einer faszinierenden Technik, die sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick offenbart. Die filigranen Zeichnungen bestehen aus akkurat aufgeklebtem Menschenhaar. Lost ein Haar auf dem Teller normalerweise Abscheu und Ekel bei uns aus, wird es hier zum Trager hochster handwerklicher Prazision und asthetischen Ausdrucks. Exakt klebt die Kunstlerin Haar fur Haar nebeneinander und kopiert uberlieferte Dekore traditioneller Porzellane. Sekyung Lee findet ihre Motive im Studium historischer Vorlagen. Streublumchen der Meissener Manierblumenzeit und die biedermeierliche Leichtigkeit der burgerlichen Gesellschaft dienen ihr ebenso als Muster, wie chinesische, hollandische, oder arabische Ornamente, die ganze Services verzieren. Typische Motive der hollandischen Fliesenmalerei des 17. Jahrhunderts, Schiffe, Handelsleute, spielende Kinder oder florale Dessins werden mit blau und rot gefarbtem Haar auf modernen wei©¬en Kacheln nachgestellt. Die Teller mit strengen, geometrischen Kompositionen des russischen Suprematismus sind Unikate, die abstrakte Bemalungen der zwanziger Jahre wiederholen.
Sekyung Lee prasentiert ihre Objekte museal exponiert, perfekt punktuell ausgeleuchtet in Vitrinen, oder auf samtbezogenen Sockeln. Die Art der Prasentation ist Teil ihres kunstlerischen konzeptuellen Anliegens, das weit uber das Kopieren historischer Originale hinausgeht .
Im Sinne der amerikanischen Appropriation Art wird Lee zur produzierenden Rezipientin, die mit der Aneignung fremder Bildlichkeit die Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Kunst kritisch reflektiert. Den Betrachter fasziniert zunachst die handwerkliche und kunstlerische Fahigkeit und die konsequente Prazision. In respektvollem Umgang mit Traditionen spielt Sekyung Lee mit unserer asthetisch-sinnlichen Wahrnehmung, fordert daruber hinaus einen weitergehenden, intellektuellen Zugang zu ihrem Werk. Es gilt die Relativitat von Kunst und kunstlerischer Tatigkeit, Geschichte und Zeit, Original und Reproduktion, postmodernem Kontext und Asthetik in einen Zusammenhang zu bringen und dialektisch auszuloten.
Die Ikonografie der tradierten Muster verliert ihre Bedeutung, wahrend das handwerkliche Schaffen und die Faszination der technischen Umsetzung an Relevanz gewinnen. Der epigonale Prozess der Nachahmung und das Aneignen fremder Bilder relativiert jedoch den kreativen Akt und seine Wertigkeit und hinterfragt die Produktion von Kunst und damit auch den Kunstler. Auch die Fragestellung nach Originalitat und Kopie erfahrt eine neue Ebene und thematisiert kritisch die Identitat des Kunstwerkes. Das Aufdecken der kunstlerischen, konzeptuellen und philosophischen Strategien im Werk von Sekyung Lee ist ein sinnlich-intellektuelles Vergnugen, das ein Uberschreiten aller zeitlichen und kulturellen Grenzen erlaubt und erfordert.
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